Ersetzt DeepL den Übersetzer?

Ist Deepl nur hilfreiches ein Tool oder der neue Übersetzer?

Screenshot des Anwendungsfensters der DeepL-App zur Veranschaulichung des Übersetzungsprozesses
Screenshot des Anwendungsfensters der DeepL-App

DeepL für Deep Learning des gleichnamigen Köllner Unternehmens DeepL SE ist ein maschineller KI-gestützter Übersetzungsdienst und ging 2017 online. Seit dem Go-Live von DeepL ist die Übersetzerbranche in Aufruhr. Denn DeepL liefert Ergebnisse, die andere maschinelle Übersetzungen, wie beispielsweise von Google, bei Weitem übertreffen. Das Tool entstand aus der Datenbank Linguee.de, die schon seit Jahren zweisprachige Satzpaare in verschiedenen Sprachkombinationen zum Nachschlagen bereitstellt.

Bei der Recherche in der Datenbank von Linguee kann sich der Nutzer Satzpaare in zwei Sprachen anzeigen lassen, die ein bestimmtes Wort oder eine bestimmte Redewendung enthalten. So kann er sehen, wie ein bestimmter Begriff oder Ausdruck in anderen Texten übersetzt wurde. Das ist in vielen Fällen hilfreich und inspirierend.

DeepL hingegen liefert über ein kleines Anwendungsprogramm bereits die fertige Lösung. Diese kann einfach in den Zieltext eingefügt werden. Auch ganze Texte können selbst in der kostenlosen Version übersetzt werden. Das ist natürlich sehr verführerisch, denn alle Sätze sind grammatikalisch und orthografisch korrekt und beinhalten vollständig den Inhalt des Ausgangstextes. Man muss auch nicht den unbeabsichtigten Lacherfolg bei Lesern des Zieltextes fürchten, wie es mit anderen Übersetzungsprogrammen war und teilweise immer noch ist.

Kann DeepL den Übersetzer ersetzen? Ja und Nein.

Erfahrungsbericht

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich DeepL über einen längeren Zeitraum ausprobiert. Hierzu habe ich die Windows-App installiert und nutze die kostenlose Version. Während meiner Übersetzungsarbeit habe ich immer wieder bestimmte Sätze dort eingegeben, um zu sehen, wie gut (oder wie schlecht) die maschinellen Ergebnisse tatsächlich sind.

Viele der angezeigten Ergebnisse waren im Prinzip nicht ungeeignet und des Öfteren habe ich Satzteile oder Sätze mit geringfügigen Änderungen übernommen. In manchen Fällen war ich von der angebotenen Übersetzung so begeistert, dass ich sie ohne Änderungen übernommen habe, denn mir wäre eine so gute Lösung in diesem Moment gar nicht eingefallen. In den meisten Fällen jedoch war der zielsprachliche Satz nicht brauchbar, weil zu viel Nacharbeit erforderlich gewesen wäre.

Ein mächtiges Tool in den richtigen Händen

In fachkundigen Händen ist DeepL ein mächtiges Tool, das die Übersetzungsarbeit erleichtern und beschleunigen kann, aber, wie alle maschinellen Übersetzungsdienste, hat es auch seine Schwächen.

Satzübergreifende Bezüge sind problematisch

DeepL arbeitet auf Satzbasis. Vereinfacht gesagt sucht das Tool KI-gestützt die beste Entsprechung des jeweiligen Satzes des Ausgangstexts bzw. der Satzteile dieses Satzes in der Zielsprache heraus und „bastelt“ sie zusammen. Wie die Sätze aufeinander abgestimmt sind und wie sie sich aufeinander beziehen, wird lediglich durch den Ausgangstext bestimmt. Dabei kommt es leicht zu Missverständnissen, weil satzübergreifende Verweise oft nicht richtig interpretiert werden können.

Uneinheitliche Verwendung von Fachbegriffen durch DeepL

In technischen Texten gilt als Qualitätskriterium die einheitliche Verwendung von Benennungen. Bei der Beschreibung eines technischen Produkts in einem Datenblatt, einer Einbau- und Wartungsanleitung oder in einem Marketingtext ist deshalb wichtig, eine bestimmte Komponente immer gleich zu benennen. Wird zum Beispiel der Luftauslass des Klimageräts als Luftausblasgitter im Deutschen bezeichnet, sollte im Englischen im ganzen Text immer die gleiche Übersetzung verwendet werden, um Verwechslungen oder Verwirrung zu vermeiden. Außerdem sollte man aus Gründen der Einheitlichkeit die Übersetzungen bevorzugen, die schon in anderen englischen Texten des Unternehmens verwendet wurden.

Das kann DeepL nicht leisten. Selbst innerhalb eines Kurztextes, der auf einmal eingegeben wurde, wie im obigen Screenshot gezeigt, werden zwei unterschiedliche Übersetzungen für Ausblasgitter angeboten.

Beispielübersetzung aus einer Wartungsanleitung für ein Klimagerät:

Das Ausblasgitter der Deckenblende öffnen und das Filtervlies herausnehmen. Das Vlies kann mit Wasser ausgewaschen oder, je nach Verschmutzung, ausgetauscht werden. Das trockene Vlies oder den Ersatzfilter in das Ausblasgitter der Deckenblende einsetzen und die Blende schließen.

In DeepL eingegebener Ausgangstext

Open the discharge grille of the ceiling panel and remove the filter fleece. The fleece can be washed out with water or replaced, depending on how dirty it is. Insert the dry fleece or the replacement filter into the air outlet grille of the ceiling panel and close the panel.

Von DeepL vorgeschlagener Zieltext

Diese Abweichungen überliest man sehr leicht, wenn man sich des Problems nicht bewusst ist. Wie tragisch das in diesem Fall ist, darüber mag man streiten. Tritt dieses Problem jedoch durchgängig auf, kann das zu Verwirrung oder Verwechslungen führen und es entsteht schnell der Eindruck mangelnder Sorgfalt.

Es gibt jedoch eine Lösung für dieses Problem. Man kann in der DeepL-App ein Glossar mit den gewünschten Übersetzungen bestimmter Benennungen anlegen. Jedoch gibt es hier Einschränkungen, wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden und der Arbeitsaufwand steigt unter Umständen erheblich.

Hoher Nachbearbeitungsbedarf bei speziellen Fachtexten

Im folgenden Beispiel geht es um Flanschübergangsstücke für zugfeste und nicht zugfeste Rohrverbindungen:

Beispielübersetzung eines Normtexts:

6.6.2.2.1.1 Flanged adaptors for use with end load bearing joints
The permissible deviation from the manufacturer’s declared length of the fitting, L, is given in Table 18.
6.6.2.2.1.2 Flanged adaptors for use with non-end load bearing joints
The permissible deviation from the manufacturer’s declared length of the fitting is (L ± 25) mm.

In DeepL eingegebener Ausgangstext (Auszug aus ISO 23856)

6.6.2.2.1.1 Flanschadapter zur Verwendung mit endbelasteten Verbindungen
Die zulässige Abweichung von der vom Hersteller angegebenen Länge des Formstücks, L, ist in Tabelle 18 angegeben.
6.6.2.2.1.2 Flanschverbindungen für nicht endseitig tragende Verbindungen
Die zulässige Abweichung von der vom Hersteller angegebenen Länge des Formstücks beträgt (L ± 25) mm.

Von DeepL angebotene Übersetzung

Die markierten Übersetzungen sind unüblich für das Fachgebiet und wurden hier auch wieder inkonsistent verwendet.

Man kann die korrekte Übersetzung von „flanged adaptor“ mit „Flanschübergangsstück“ im Glossar der App festgelegen. In diesem Glossar kann man jedoch nur Übersetzungen speichern, die über das Drop-down-Menü zur Auswahl angeboten werden, wenn man ein bestimmtes Wort im angebotenen Zieltext anklickt.

Begrenzte Anpassbarkeit in der DeepL-App

Die Übersetzungen für „end load bearing joints“ und „non-end load bearing joints“ mit „zugfeste Rohrverbindungen“ und „nicht zugfeste Rohrverbindungen“ kann man nicht im Glossar abspeichern, zumindest nicht in der kostenlosen Version, da sie in der Auswahlliste nicht vorkommen. Man müsste sie nachträglich über Suchen und Ersetzen anpassen.

Weiterhin müsste „Länge des Formstücks, L,“ in entweder „Formstücklänge L“ oder „Länge L des Formstücks“ geändert werden, damit die Zuordnung von L eindeutig ist. Außerdem müsste das im Deutschen hier unübliche Komma vor L herausgenommen werden.

6.6.2.2.1.1 Flanschübergangsstücke zur Verwendung mit zugfesten Rohrverbindungen
Die zulässige Abweichung von der vom Hersteller angegebenen Formstücklänge L ist in Tabelle 18 angegeben.
6.6.2.2.1.2 Flanschübergangsstücke zur Verwendung mit nicht zugfesten Rohrverbindungen
Die zulässige Abweichung von der vom Hersteller angegebenen Formstücklänge beträgt (L ± 25) mm.

Text des Übersetzers

Die in einer Norm zu verwendenden Benennungen (Übersetzungen der Fachbegriffe) werden von den DIN-Kommissionen festgelegt. Die Übersetzung eines längeren Texts dieser Art mit DeepL würde erhebliche Vor- bzw. Nacharbeit benötigen.

Das wäre auch der Fall bei Texten, die eine spezielle Technik beschreiben und bestimmte Fachbegriffe in der Zielsprache verwendet werden sollen oder müssen.

Falsche Bezüge bei komplexen Sätzen und unklarem Ausgangstext

In technischen Fachtexten finden sich oft sehr komplexe Sätze mit Einschüben und Nebensätzen. Nicht immer ist durch die Stellung im Satz erkennbar, auf welches Satzglied sich der Einschub oder Nebensatz bezieht. Das wird erst durch den beschriebenen technischen Hintergrund deutlich.

DeepL kann aber Sinn nicht erkennen. Bei der Übersetzung orientiert sich der Dienst sehr stark an der Satzstellung des Ausgangstextes und ordnet Einschübe in der Regel dem Satzteil zu, der davor steht. Das kann sehr große Verwirrung stiften. Auch hier muss von Hand nachgearbeitet und der Satz eventuell umformuliert und komplett umgestellt werden.

DeepL kann Sinn nicht erkennen

DeepL arbeitet KI-gestützt auf der Basis von Übereinstimmungswerten, es sucht die üblichste und häufigste Entsprechung aus dem Datenbestand heraus. Auch hier ist Wachsamkeit angesagt.

Im folgenden Beispiel geht es um Pfahlgründungen und den Druck an der Spitze des Pfahls:

Die axialen Pfahlwiderstände infolge Mantelreibung und Spitzendruck können wahlweise durch die Auswertung statischer Pfahlprobebelastungen oder auf Basis von Erfahrungswerten nach der EA-Pfähle, getrennt nach den beiden Grenzzuständen SLS und ULS abgeleitet werden.

Zu übersetzender Text, Auszug aus einem Handbuch für Software zur Berechnung von Pfahlgründungen

The axial pile resistances due to skin friction and peak pressure can be derived either by evaluating static pile test loads or on the basis of empirical values according to EA-Pfähle (ed.: Deutsche Gesellschaft für Geotechnik e.V.), separated according to the two limit states SLS and ULS.

Von DeepL angebotene Übersetzung

DeepL bietet als Übersetzung von Spitzendruck „peak pressure“ an, denn in den meisten Kontexten bezieht sich Spitzendruck auf den Höchstwert des Drucks. In diesem Fall aber handelt es sich um den Druck, der auf die Spitze Pfahls wirkt. Der Fachbegriff im Englischen lautet „end-bearing pressure“ in diesem Fall.

Wird ein Übersetzungsfehler dieser Kategorie vom Anwender des Tools übersehen, kann der Schaden schon erheblicher sein, vor allem, wenn sich der Text an ein Fachpublikum richtet, wie in diesem Fall an Bau- oder Tiefbauingenieure. Die Kompetenz des Verfassers und damit auch die des Anbieters der beschriebenen Produkte oder Systeme wird schnell infrage gestellt, wenn diese Fehler nicht korrigiert werden.

Erläuterungen in der Zielsprache fehlen

Außerdem sollte eine Verweisung auf deutsche Fachliteratur dem englischen Leser erklärt werden. Ebenso empfiehlt es sich, Abkürzungen beim ersten Vorkommen auszuschreiben. Auch das gehört zu einer guten Übersetzung, kann aber DeepL nicht leisten.

The axial pile resistances, due to skin friction and end-bearing pressure, can optionally be determined either by evaluating static pile test loads or based on empirical values given by the recommendations of the pile work group EA-Pfähle, separately for the serviceability limit state (SLS) and the ultimate limit state (ULS).

Text des Übersetzers

Die Milchmädchenberechnung der Kosteneinsparung durch DeepL

Wie wir an diesen Beispielen sehen, ist es keineswegs so, dass man Texte per Mausklick übersetzen kann und anstatt Geld für den Übersetzer ausgeben zu müssen, in zwei Minuten den fertigen fehlerfreien Zieltext zur Veröffentlichung erhält.

Der Mitarbeiter, der eine Übersetzung mit DeepL anfertigen soll, muss über bestimmte Kenntnisse verfügen:

  •     Sprachkenntnisse in der Ausgangs- und der Zielsprache, um die Qualität der gelieferten Ergebnisse beurteilen und Korrekturen vornehmen zu können.

  •     Fachkenntnisse im betreffenden Sachgebiet, um die Richtigkeit der übersetzten Texte und der verwendeten Fachbegriffe bewerten zu können.

  •     Branchenkenntnisse und Kenntnis der firmeneigenen Terminologie und der beschriebenen Geräte oder Systeme, um Anpassungen vornehmen zu können.

Das sind schon recht viele Kompetenzen, über die der Azubi oder ein Praktikant gar nicht oder nur teilweise verfügt. Wenn ein entsprechend qualifizierter Mitarbeiter im Unternehmen überhaupt verfügbar ist, um diese Aufgabe zu erledigen, stellt sich die Frage, kostet dieser Mitarbeiter seinen Arbeitgeber wirklich weniger als der Übersetzer. Wenn man alle Kosten einrechnet, also nicht nur das Bruttogehalt, Personalnebenkosten und Sonderleistungen, sondern auch Büroeinrichtung, Büroausstattung, Software, Hardware, Parkplatz, Gebäudeneben und -unterhaltskosten, anteilig für den Arbeitsplatz dieses Mitarbeiters, liegt man, wenn überhaupt, nicht allzu weit unter dem Stundensatz des Übersetzers. Hinzu kommt, dass dieser Mitarbeiter mit DeepL möglicherweise auch nicht viel schneller am Ziel ist, als der Übersetzer ohne DeepL, wenn eine vergleichbare Qualität erarbeitet werden soll und für seine eigentlichen Aufgaben in dieser Zeit nicht zur Verfügung steht.

Meistens sind sich Laien am Schluss unsicher, ob ihre Übersetzung richtig und gut ist, vor allem, wenn sie in die Fremdsprache übersetzt haben. Daher ist es hier sinnvoll, die Übersetzung von einem Übersetzer, am besten von dem Übersetzer, der bisher die Texte dieses Unternehmens übersetzt hat, Korrekturlesen zu lassen. Die Kosten für das Lektorat sind zwar günstiger als eine Übersetzung, kämen aber zum Gesamtaufwand hinzu.

Fazit

DeepL ist ein gutes Hilfsmittel, wenn es darum geht, einfache Texte, wie beispielsweise E-Mails oder Blogbeiträge zu übersetzen. Auch bietet es Firmen die Möglichkeit, kleinere Ergänzungen oder Änderungen von Bestandstexten, zum Beispiel auf ihrer Website, selbst vorzunehmen, ohne jedes Mal den Übersetzer beauftragen zu müssen.

Die maschinelle Übersetzung ist natürlich auch hilfreich, wenn es darum geht, den Inhalt eines fremdsprachlichen Texts zu verstehen.

Für die Übersetzung umfangreicherer technischer Fachtexte aus speziellen Fachgebieten ist DeepL eher ungeeignet. Es wäre sehr aufwendig, das Tool auf die richtige Terminologie zu trainieren. Auch tut sich der Dienst schwer mit komplexen Sätzen, die aber zur Erklärung von komplizierten Sachverhalten oftmals erforderlich sind.

Anpassungen aufgrund der Textfunktion und der Textsorte, wie zum Beispiel:

  •     die Ausrichtung eines Textes auf ein bestimmtes Ziel und die Wahl entsprechender Formulierungen

  •     die Umstellung von Sätzen in der Zielsprache, um die Satzaussage deutlicher zu machen

  •     die Anpassung des Textes an Konventionen der Zielkultur

– das alles kann DeepL nicht leisten. Es sind jedoch wichtige Kriterien für die adäquate Ansprache des Leserkreises und dafür, ob der Text sein Ziel bei diesen Lesern erreicht.

Meine Empfehlung

Wenn Sie Texte mit DeepL übersetzen, lassen Sie das von jemandem erledigen, der sehr gut die Ausgangs- und die Zielsprache beherrscht und sich gut im Fachgebiet und in der Fachterminologie auskennt. Überlegen Sie, ob der Einsatz des Mitarbeiters für Übersetzungen tatsächlich günstiger ist als der Stundensatz des Übersetzers. Lassen Sie die maschinell übersetzten Texte in regelmäßigen Abständen von einem Übersetzer Korrektur lesen.